5 Gründe, warum Teilzeit Selbständigkeit zum Trend werden könnte

By Karin Cvrtila

Juni 17, 2021


Meine Kunden sind fast alle Vollzeit-EinzelunternehmerInnen und stöhnen häufig, kein Wunder, über der Vielzahl an Aufgaben die sie so zu erledigen haben. Wie muss es da erst Teilzeit Selbständigen gehen, die neben der Selbständigkeit auch weiterhin einen Job zu bewältigen haben?

Beatrice Krammer hat zur Blogparade aufgerufen und die Frage aufgeworfen, ob es einen Trend zur Teilzeit Selbständigkeit gibt.

Und da mache ich gerne mit. Für mich geht es dabei ein wenig Back to the roots. In meinem früheren Leben als Meinungsforscherin habe ich ja ständig über Trends geschrieben, Studien kommentiert und mich im Rahmen der Geschäftsleitung mit sehr vielen MitarbeiterInnen-Fragen beschäftigt.

Und genau um diese Themen geht es im heutigen Blogbeitrag: ich bin dem Ganzen anhand von Studien und Statistiken auf den Grund gegangen, um eben herauszufinden, ob wir überhaupt von einem Trend sprechen können und ob das nur ein Gefühl ist oder eben empirisch belegt (wie man so schön sagt).

Daneben möchte ich auch für diejenigen, die vielleicht überlegen sich nebenberuflich selbständig zu machen, ein paar Sichtweisen als frühere Arbeitgeberin mitgeben, die hoffentlich hilfreich sind, um mit dem eigenen Chef umzugehen (die sind häufig gar nicht sooo schlimm, wie angenommen 😉

Ist Teilzeit Selbständigkeit immer eine nebenberufliche Selbständigkeit?

Diese Frage ist mit einem klaren Nein zu beantworten.

Ich weiß schon wir denken wohl alle bei „Teilzeit Selbständigen“ an Leute, die sich neben dem Angestellten-Job selbständig machen. Also nebenberufliche selbständig sind.

Aber es gibt auch weitere Formen der Teilzeit Selbständigkeit:

Statistiken zeigen, dass viele während der Karenz in die Selbständigkeit starten und auch das ist eine Form der nebenberuflichen Selbständigkeit aus meiner Sicht, weil Mutter sein, ruhig als Job angesehen werden darf und auch soll.

Frage bitte nach, wie es Müttern im letzten Jahr ergangen ist mit einem Job, ob selbständig oder angestellt, Home-Schooling, Haushalt etc. Und ja, das, im letzten Jahr verschärfte, Familien-Management ist zum Großteil an den Frauen hängengeblieben.

Und es gibt auch noch eine dritte Art der nebenberuflichen Selbständigkeit und das sind die sogenannten Multipreneure. Also Vollzeit Unternehmer, die aber mit mehreren Unternehmen/Standbeinen am Markt tätig sind. Klar, die sind ihr eigener Chef, aber schupfen mehrere Unternehmen gleichzeitig.

Kein einfaches Unterfangen und ehrlich gesagt mit einem Unternehmen, und das Vollzeit, kann man sich nicht über Langeweile beschweren. Genau dasselbe gilt auch für selbständige Mütter.

Ist Teilzeit Selbständigkeit nun ein Trend?

Um Trends zu erfassen bzw. überhaupt zu sehen, lohnt sich ein Blick in die Statistik.

Dazu findet sich eine Studie von YouGov aus 2019: damals waren in Deutschland 28 Prozent der Erwerbstätigen nebenberuflich selbständig. Auf den ersten Blick erscheint mir diese Zahl etwas hoch gegriffen. Interessant jedoch ist, dass scheinbar der Großteil in offline-Branchen wie Pflege, Handwerk, Nachhilfe und Putzen nebenberuflich tätig waren. Nun, aus anderen Studien geht hervor, dass dies genau die Branchen mit einem sehr hohen Anteil an Schwarzarbeit sind, also das klassische „Pfuschen“.

Wenn wir jedoch von nebenberuflicher Selbständigkeit sprechen, denken wir primär an Leute, die sich neben dem Angestellten-Dasein ein Unternehmen nebenbei aufbauen. Auch das muss nicht immer der Fall sein. Meist geht es eben um ein „Dazu-Verdienen“.

Einen Hinweis, ob die Teilzeit Selbständigkeit zum Trend wird, gibt uns die Studie Gründungsmonitor des KWF (ebenfalls aus Deutschland), eine Langzeituntersuchung zu den Gründern in Deutschland und hier zeigt sich ein interessantes Bild: 2017 gab es etwas weniger Gründungen und vor allem viel weniger nebenberufliche Gründungen.

Warum? Damals gab es einen starken Fachkräftemangel, die Arbeitslosigkeit war gering, es war leichter einen Job zu finden.

Was das jetzt damit zu tun hat, dass es weniger nebenberufliche Gründungen gab? Es ist so, auch wenn Viele das vielleicht nicht gerne hören, aber ein großer Teil der Selbständigen starten ihre Unternehmer-Karriere aus der Arbeitslosigkeit heraus. Gibt es nun mehr Jobs zu vergeben, sinkt auch die Anzahl der Gründungen, weil es eben leichter ist einen adäquaten Job zu finden, der häufiger risikoärmer erscheint als eine Selbständigkeit.

2019 gab es dann erstmal, laut KWF, einen klaren Anstieg bei den Gründungen, die jedoch vor allem auf nebenberuflichen Gründungen zurückzuführen waren. Zum Zeitpunkt dieses Beitrags liegen leider noch keine Zahlen aus 2020 vor, sodass wir noch nicht sehen können, welche Auswirkungen die Pandemie auf die Gründungen hatte.

Wird der Trend zur nebenberuflichen Selbständigkeit zunehmen?

Folgt man dieser Logik, so können wir davon ausgehen, dass die Teilzeit Selbständigkeit weiterhin steigen wird, erst recht nach Corona. Da gibt es so einige Hinweise dazu.

Mögliche Gründe, die sich abzeichnen und den Trend verstärken, sind folgende:

1. Die Digitalisierung hat in der Pandemie klar zugenommen.

Immer mehr Menschen wurden an die Online-Welt herangeführt, auch diejenigen, die davor wenig bis gar nichts mit online zu tun hatten. Es blieb schließlich nicht viel anderes übrig. Und ein Online Business ist nebenberuflich leichter aufzubauen, als wenn ich nebenberuflich z.B. ein Ladengeschäft führen will.

Ein Online Business macht zeitlich flexibler und erleichtert somit den Schritt in die nebenberufliche Selbständigkeit. Es wird somit immer leichter sich generell selbständig zu machen. Daher könnte die Digitalisierung auch der nebenberuflichen Selbständigkeit einen ordentlichen Schub nach vorne verpassen.

2. Ein 2. Standbein bringt mehr Sicherheit

Wir wissen alle nicht genau, wie es weitergehen wird. Die Angst vor dem Jobverlust ist bereits in normalen Zeiten hoch. So bewerteten laut einer OGM-Studie (kann sein, dass ich selbst mit der Erstellung der Studie etwas zu tun hatte 😉 2014 in Österreich 24 Prozent der Erwerbstätigen ihren Job als sehr (4 Prozent) bis eher (20 Prozent) unsicher! Heute in Zeiten der Pandemie ist es ein Drittel.

Auf den ersten Blick wirken diese Zahlen immer ein wenig nach „ist ja nicht sooo schlimm“. Wirklich? Man darf eines nicht vergessen: mit der Sorge um den Jobverlust ist meistens nicht nur eine einzelne Person betroffen, sondern ganze Familien. Das ist dann nicht mehr sooo wenig.

In Krisen-Zeiten nehmen klarerweise die Sorgen und auch der Wunsch nach Absicherung zu und dies könnte sehr wohl zu einem Anstieg der nebenberuflichen Selbständigkeit führen. Wenn wir allein daran zurückdenken, wie viele während der Pandemie in Kurarbeit waren, dann wird wohl dem ein oder anderem der Gedanke an eine Teilzeit-Selbständigkeit gekommen sein.

3. Teilzeit Arbeit nimmt zu

Teilzeit-Jobs sind in Österreich, nicht zuletzt aufgrund der vielen rechtlichen und auch, in Form von Transferzahlungen, finanziellen Anreize sehr stark ausgeprägt. Vor allem in internationalen Vergleich. Und dies betrifft laut Statistik Austria vor allem Frauen: während 2020 in Österreich insgesamt 28 Prozent Teilzeit berufstätig waren, lag diese Quote bei Frauen bei 47 Prozent!

In der Politik wird zwar häufig von der viel zitierten „Wahlfreiheit“ gesprochen und viele sind tatsächlich deswegen in Teilzeit, weil sie es eben so wollen. Aber es gibt auch einen Teil, denen gar nichts anderes übrig bleibt, als Teilzeit zu arbeiten.

Weil z.B. Kinderbetreuungsplätze fehlen, oder zumindest solche, die auch mit einem Vollzeit-Job vereinbar wären. Und wiederum Andere würden gerne Vollzeit arbeiten, können aber vom Arbeitgeber aus nicht auf mehr Stunden aufstocken.

Vor allem für diese beiden Gruppen könnte sich eine flexible nebenberufliche Selbständigkeit bezahlt machen.

Mit einem Vollzeit-Job, vielleicht noch gepaart mit einer Führungsfunktion wir sich kaum jemand in eine nebenberufliche Selbständigkeit begeben (außer man hat vielleicht noch ein paar Aufsichtsratsposten nebenbei laufen – soll vorkommen, aber das ist eine andere Geschichte 😉  . Es wird sich zeitlich schlicht und einfach nicht ausgehen.

D.h. ein Teilzeit-Job ist fast schon Voraussetzung für eine Teilzeit Selbständigkeit. Da die Zahl der Teilzeit-Erwerbstätigen hoch ist, wird auch die Zahl der Teilzeit-Selbständigen steigen, könnte man folgern.

4. Erwartungshaltung in der Teilzeit Selbständigkeit

Nun die Erwartungshaltung vor der Selbständigkeit ist meist relativ hoch! Da fallen schnell einmal Gründe wie „endlich mein eigener Chef sein“ bis hin zu „reich werden und endlich das verdienen, was mir zusteht“.

Vieles davon hat mit dem Image der Unternehmer zu tun, das nun ja, nicht gerade das Beste ist. Studien zeigen ebenfalls, dass eben das Image der Unternehmer besagt „die Reichen“, „die können machen was sie wollen“ etc. Fakt ist aber, dass es in fast keiner Berufsgruppe so viele Leute gibt, die am Mindesteinkommen nagen – von reich sein kann oft keine Rede sein.

Hinzu kommt, und auch das wird Beginn häufig verschwiegen, dass du eben nicht gleich ab dem 1. Tag wie verrückt verdienst. Jeder Unternehmensaufbau benötigt seine Zeit und funtkioniert eben nicht über Nacht. So gesehen, könnte die Teilzeit-Selbständigkeit ein guter Weg sein, um die Zeit zu überbrücken, bis das eigene Business so richtig gut läuft.

Ebenso wirst du, sobald du in deine Selbständigkeit startest, sehr schnell merken, dass man zwar vielleicht machen kann, was man will, dies aber noch lange nicht gleichbedeutend ist mit „wenig bis gar nichts tun“.

Diese Erwartungshaltung wird häufig von außen noch geschürt durch Bilder von (angeblich) erfolgreichen Unternehmern, die vor Yachten oder teuren Autos stehen – da sollten alle Alarmglocken läuten. Das ist definitiv nicht das Bild des normalen Unternehmers.

Die Erwartungshaltung mag zwar falsch sein, könnte jedoch dennoch ein Grund sein, warum die Teilzeit Selbständigkeit (oder auch die Vollzeit Selbständigkeit) in Zukunft an Fahrt aufnehmen könnte.

5. Wandel im Mindset der Arbeitgeber

Nun, wie reagieren eigentlich Arbeitgeber, wenn es um das Thema Teilzeit Selbständigkeit der eigenen MitarbeiterInnen geht?

Dazu möchte ich einen Blick zurückwerfen und dir meine Gedanken und Erfahrungen in der Geschäftsleitung eines der großen Markt- und Meinungsforschungsinstitute in Österreich mitgeben. Ein großer Teil meiner Arbeit bestand tatsächlich rund um MitarbeiterInnen-Fragen.

Wie hätte ich also reagiert, wenn mir ein Mitarbeiter erklärt hätte, dass er/sie sich gerne nebenberuflich selbständig machen möchte. Ganz ehrlich? Ich hätte zwar äußerlich die Coole gespielt, aber innerlich hätte es ordentlich rumort und mir wären sofort Gedanken wie „kapselt sich der jetzt ab vom Unternehmen? Will er sich verabschieden? Löst er sich bereits emotional vom Unternehmen? Was stimmt nicht?“ eingeschossen.

Kurz gesagt: meine Alarmglocken hätten nicht nur leise vor sich hingebimmelt, sondern wären kurz vor der Explosion gestanden.

Gleichzeitig wäre ich aber auch über die Transparenz der MitarbeiterIn dankbar gewesen, weil genau diese Transparenz das Um und Auf ist, damit eine nebenberufliche Selbständigkeit auch aus Sicht der komischen Chefin funktionieren kann.

Wenn du nun mit deinem Chef/Chefin redest, dann kann ich dir folgende Tipps mitgeben:

1. Sei transparent und sage ehrlich, was du vorhast!

Ein Versteck-Spiel nützt beiden Seiten nichts und du wirst auch nicht drumherum kommen dein Vorhaben irgendwann auch deinem Chef zu sagen. Sobald es aber draussen ist, könnt ihr auch gemeinsam Vereinbarungen treffen.

2. Kläre offen, ob es Konflikte zum bestehenden Job geben könnte!

Inhaltlich – mit was genau willst du dich selbständig machen? Ein kleiner Tipp: als Chefin sieht man einen inhaltlich anderen Bereich gelassener als wenn du dich genau in dem Bereich, in dem du im Unternehmen beschäftigt bist, selbständig machst. Dazu gibt es übrigens häufig auch Klauseln im Arbeitsvertrag, die jedoch auch genau so häufig nichtig sind.

Zeitlich – kannst du überzeugend klar machen, dass deine Selbständigkeit auch zeitlich keinen Einfluß auf deinen „normalen“ Job hat? Eine klare Trennung von Job und Selbständigkeit ist unumgänglich. Übrigens nicht nur für den Chef, sondern auch für dich selbst.

Zielgruppe – stelle auch bitte klar, dass du keine Kunden mitnimmst! Das wäre auch einfach nicht fair, vor allem dann nicht, wenn du tatsächlich vorhast dich im selben Thema wie dein Angestellten-Verhältnis selbständig zu machen. Da wäre bei mir der „Ofen aus gewesen“ – wie man so schön sagt. Und du selbst, da bin ich mir ziemlich sicher, willst auch nicht in einen Gewissenskonflikt kommen.

3. Versuche die Sicht deines Arbeitgebers einzunehmen

Beantworte also alle Fragen möglichst neutral und versuche mögliche Einwände deines Arbeitgebers „vorauszudenken“. Das wird dir übrigens auch dabei helfen, wenn du dich in Zukunft in deine eigene Zielgruppe einfühlen wirst müssen! Und das wirst du müssen, damit dein Business funktioniert!

ABER: ich stelle einen Wandel in der Denkweise von Arbeitgebern fest. Der Fachkräftemangel (und ja, den gibt es auch in Krisen-Zeiten) führt nämlich dazu, dass Arbeitgeber immer schneller auf die Wünsche der eigenen MitarbeiterInnen eingehen. Wenn dein Chef deine Arbeit tatsächlich wertschätzt und dich deswegen auch unbedingt halten will, dann wird er auch auf deine Wünsche eingehen (sofern sie nicht überzogen sind 😉 Die Chancen stehen also gut!

Fazit

Die derzeitigen Zeichen deuten auf eine Zunahme der Teilzeit Selbständigen hin. Es wird immer leichter sich nebenbeurlich selbständig zu machen und ich persönlich denke, dass dies ein guter Weg ist, um zu starten.

Wenn du dich tatsächlich nebenberuflich selbständig machen willst, dann wünsche ich dir bereits jetzt von Herzen: viel Erfolg!

Herzlichst, deine

Karin

PS Wenn du noch mehr über die einzelnen Schritte in die Selbständigkeit bzw. den Start mit einem Online-Business lesen willst, dann habe ich für dich eine Übersichtsseite erstellt mit weiteren Tipps zum Start mit einem Online-Business

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  1. Liebe Karin,

    wow … es fasziniert mich immer wieder, wie Du Zahlen, Daten und Fakten Leben einhauchst. Vielen Dank für den Einblick auf die Arbeitgeberseite und die Tipps, wie zukünftige Unternehmer am besten das Gespräch mit ihren Vorgesetzten suchen.

    Spannend zu lesen!
    💚 Deine Beatrice

    1. Liebe Beatrice,

      danke! Nun ja, das mit der Interpretation von Zahlen, Daten und Fakten ist das, was ich mein ganzes Leben lang gemacht habe 😉

      Lieben Gruß
      Karin

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